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Stefan Kunath & Tom Berthold

Schriftliche Anfrage: Kostenloses Mittagessen für Kinder mit Bezug von Hartz-IV während des Lockdowns

Schulen und Horte waren lange Zeit während des Lockdowns zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie geschlossen - und damit auch die Schulkantinen. Kinder, deren Eltern von Hartz IV leben müssen, bekommen seitdem kein kostenloses Schulessen in Frankfurt (Oder). Im Normalfall wird die Bezahlung des Mittagessens, beziehungsweise die Erstattung, über das Bildungs- und Teilhabepaket gesichert. Ich habe bei der Stadtverwaltung dazu nachgefragt und nachgehakt.

Wenn die Schulen und Schulkantinen geschlossen sind und die Familien für ihre Kinder Essen kaufen müssen, ist das eine enorme Mehrbelastung für Familien, die Hartz-IV beziehen. Die Bundesregierung hat deswegen im vergangenen Jahr das sogenannte Sozialschutzpaket II beschlossen. Das sieht unter anderem eine Kompensation für den Wegfall der Versorgung in den Einrichtungen vor, indem das Schulessen ausgeliefert oder abgeholt werden kann. Kinder, deren Familien im Bezug von Wohngeld oder Kinderzuschlag sind, gehören ebenfalls zum Kreis der Anspruchsberechtigten. Der Wegfall des Kriteriums der Gemeinschaftlichkeit gilt auch für Leistungsberechtigte in Werkstätten für behinderte Menschen und für vergleichbare Einrichtungen.

Trotz Bedarf kein Angebot

In Frankfurt (Oder) wächst jedes dritte Kind in finanziell ärmeren Verhältnissen auf. Bisher hat die Verwaltung versäumt, ein stadtweites Angebot der Belieferung und Abholung des Schulessens einzurichten, obwohl auf Bundesebene bereits seit einem halben Jahr die gesetzlichen Rahmenbedingungen geschaffen wurden. Deswegen habe ich untenstehende Anfrage zur Stadtverordnetenversammlung am 11.02.2021 an die Stadtverwaltung gestellt. Nun liegt die Antwort der Stadtverwaltung vor.

Die Antwort der Stadtverwaltung zeigt leider, dass weder der Stadt noch den Schulen die prekäre Situation der Familien ausreichend bewusst war. Die 10.540 Inanspruchnahmen des kostenlosen Mittagessens in 2020 zeigen, wie wichtig das Angebot des kostenlosen Schulmittagessen im Lockdown gewesen wäre. Der Fall zeigt, wie schnell Kinder und Familien aus ärmeren Verhältnissen übersehen werden. Der Hinweis, dass Familien von sich aus keine Bedarfe angemeldet hätten, verschiebt die Verantwortung in Richtung der Betroffenen. Doch im Hartz-IV-System spüren Betroffene viel zu oft, dass ihr Einzelfall egal ist. Deswegen ist es nicht verwunderlich, dass sich die meisten Berechtigten nicht proaktiv gemeldet haben. Hoffnungsvoll stimmt mich, dass die Anfrage etwas Bewegung in die Sache gebracht hat. Mittlerweile werden die Bedarfe bei den Einrichtungen geprüft und das Angebot besser kommuniziert. Wir müssen auf städtischer Ebene alle Möglichkeiten nutzen, um die betroffenen Familien zu unterstützen und die soziale Ungerechtigkeit zu bekämpfen. Deswegen bleibe ich auch zukünftig am Thema dran!

Anfrage mit offizieller Antwort

1. Wie viele Leistungsberechtigte haben schätzungsweise Anspruch auf Mittagessen im Sinne des Sozialschutzpaket II?

Eine statistische Erhebung zu den dem Grunde nach anspruchsberechtigten Personen ist nicht möglich. Festzustellen ist, dass im Jahr 2020 insgesamt 10.540 Zahlfälle zur Mittagsversorgung im Rahmen der Leistungen für Bildung und Teilhabe bearbeitet worden sind.

2. Welche Maßnahmen hat die Stadt ergriffen, um im Sinne des Sozialschutzpaket II Mittagessen zu beliefern oder abholen zu können?

Das Gesetz zu sozialen Maßnahmen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie (Sozialschutzpaket II) ist in den hier maßgeblichen Teilen am 28.05.2020 verkündet worden (Bundesgesetzblatt 2020 Teil 1, Nr. 24) und mit Wirkung ab dem 29.05.2020 in Kraft getreten. Für die Zeit des ersten Lockdowns im Frühjahr 2020 bestand somit keine Möglichkeit mehr, rückwirkend steuernd einzugreifen.

Im weiteren Verlauf des Jahres 2020 erfolgte gegenüber dem Amt für Jugend und Soziales keine Anzeige hinsichtlich eines Steuerungsbedarfes. Weder die Kitaträger noch Schulträger noch Eltern leistungsberechtigter Kinder sind diesbezüglich an das Amt für Jugend und Soziales herangetreten; gleiches gilt auch für das Jobcenter Frankfurt (Oder). Insoweit und im Hinblick auch auf andere Regelungsbedarfe sind seitens des Amtes für Jugend und Soziales keine vorbereitenden Maßnahmen für die - sodann auch eingetretene - Eventualität eines zweiten Lockdowns ergriffen worden.

Da im zweiten Lockdown die Kindertagesstätten nicht geschlossen worden sind und sich auch eine fast vollständige Auslastung der Kindertagesstätten zeigte, sind momentan überwiegend die leistungsberechtigten Hortkinder ohne Notbetreuungsanspruch sowie die leistungsberechtigten Schulkinder betroffen. Nach hiesiger Kenntnis bieten derzeit 2 Einrichtungen einen Abholservice an, wobei die tatsächlichen lnanspruchnahmen sehr divergieren.

3. Erlauben es die rechtlichen Vorgaben aus dem Sozialschutzpaket II, dass lokale Gastronomen leistungsberechtigte Kinder zum Mittagessen bekochen und die Kosten vom Bund übernommen werden könnten?

Nach Auffassung des Fachamtes, sind durch die Regelungen im Sozialschutzpaket II die Voraussetzung der Gemeinschaftlichkeit und der Versorgung in Trägerverantwortung / schulischer Verantwortung für die Gewährung des Mittagessens als Leistung der Bildung und Teilhabe entfallen. D.h. es wird auf die gemeinsame Einnahme des Mittagessens in der Einrichtung verzichtet. Sowohl in der Gesetzesbegründung (Bundestagsdrucksache 19/18966) als auch in der Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales (Bundestagsdrucksache 19/19204) wird daher weiterhin von Anbietern gesprochen, welche andere Abgabewege beschreiten können. Entsprechende Mehraufwendungen wären sodann zu übernehmen. Zudem sollen die Ersatzlösungen "möglichst nah an die bisher bestehenden Versorgungsstrukturen" angelehnt werden. Diese Ausführungen belegen, dass das gesetzgebende Organ eine Mittagsversorgung im Rahmen der Leistungen von Bildung und Teilhabe nur durch jene Gastronomen/Caterer vor Augen hatte, die auch außerhalb der Pandemie in die Mittagessenversorgung eingebunden sind.

Abschließend ist anzumerken, dass diese Anfrage Veranlassung ist, die bisher im Rahmen der Pandemiebewältigung gesammelten Erfahrungen noch einmal zu reflektieren und die Notwendigkeit der Etablierung von alternativen Versorgungsstrukturen für die Mittagsverpflegung zu prüfen.

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